Evas bunte Welt…
Ich habe keine Ahnung, warum ich den Marktplatz so liebe. Schon immer hat es mich in die Mitte der Stadt gezogen. Bei Wind und Wetter sitze ich gerne dort, höre Musik, schreibe, lese und unterhalte mich mit Altdorfern über Gott und die Welt. Besonders ist es immer, wenn die ersten richtigen Sonnenstrahlen den Marktplatz nicht nur zum Strahlen bringen, sondern diesen zum Leben erwecken. Die Bürger Altdorfs erwachen aus einem langen Winterschlaf, schlüpfen aus ihren Nestern, um sich in dem Zentrum der historischen Altstadt zu versammeln. Gerade ist dem auch wieder so.
Die Frühlingssonne lässt mich mein Sommerkleid ausführen. Ich selbst sitze mit Notizbuch, Stift und meinem Lieblingseis im Schneidersitz auf einer Bank vor den Wasserspielen und lasse das Umfeld auf mich wirken. Man kann die Freude und zurückgekehrte Freiheit nicht nur in den Gesichtern der Menschen sehen. Sie ist auch, wie das Knistern des Feuers, überall zu spüren. Es wirkt befreiend. Wie ein langer Atemzug nach einem langen Tauchgang. Die Glocke der Kirche läutet die volle Stunde ein. Gegenüber zieht sich die Schlange vor der Eisdiele, die endlich aus der ewig zu dauernden Winterpause zurück ist, bereits ums Eck. Familien, spielende Kinder und Freunde haben sich dort verabredet. Vrrroooom, Vrrroooom. Meine Gedanken werden ständig unterbrochen von den Autos, die meist viel zu schnell über den Marktplatz brettern. Mit besorgtem Blick beobachte ich die spielenden Kinder, die durch die Wasserfontänen rennen und oft den fahrenden Vehikeln sehr nahekommen. Erst gestern habe ich auf Facebook eine Debatte über die sogenannte Sommer-Fußgängerzone verfolgt. Auch wenn mich manche Kommentare sehr belustigt haben, das Engagement, mit dem sich manche dieser Debatte online annehmen, sehr beeindruckt hat, mich aber auch viele Umgangsformen zur Weißglut gebracht haben, war ich dennoch erfreut. Unsere Demokratie scheint noch nicht ausgestorben zu sein. Meinungsfreiheit und hitzige Diskussionen um Kommunalthemen scheinen immer noch Bestand zu haben. Ganz nach Helmut Schmidt, „eine Demokratie in der nicht gestritten wird, ist keine“. Als ich so darüber nachdachte, wie es wäre, wenn hier keine Autos fahren würden, musste ich an einen kürzlich gehörten Podcast denken. In dem ging es unter anderem um solche Pilotprojekte, die Städte sicherer und sauberer zu gestalten. Es wurde das Beispiel des Red Flag Act (wörtlich: „Rote-Flagge-Gesetz“) genannt. Dies war ein britisches Gesetz von 1865, das den Einsatz früherer Autos stark einschränkte. Kurz erklärt: Fahrzeuge durften innerorts maximal 3 km/h fahren. Das Fahrzeug musste zudem von einem Mann mit roter Flagge angeführt werden, um Fußgänger und Kutschen zu warnen. Ziel war es, Pferdekutschen und Fußgänger zu schützen – aber auch den Vormarsch des Automobils zu bremsen. Dass das Gesetz sich nicht dauerhaft durchgesetzt hat, ist nachvollziehbar.
Eine witzige Vorstellung bietet es allemal. Ich bin auf alle Fälle gespannt, wie es in dieser heißen Debatte weitergeht und was ein Bürgerentscheid erzielen könnte.
Da ich gerne Zeit am Marktplatz verbringe, biete ich mich, bis ein Kompromiss gefunden wird, gerne an, die Autos mit meinem roten Sommerkleid über den Marktplatz zu führen.
Eva Mikeska lebt in der Stadt, die sie liebt: in Altdorf b. Nürnberg. Außerdem liebt sie das Schreiben und das Lesen und veröffentlicht hier großartigerweise ihre Kolumne Marktplatzgeflüster.
Ihr erreicht sie bei Ideen, Anregungen und Fragen unter hallo@evamikeska.de und bei Instagram.

Gib den ersten Kommentar ab