Evas bunte Welt…
Ich habe letztens spontan Karten für das Opernhaus in Nürnberg bekommen:
„La Cage Aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren). Das 1983 am Broadway uraufgeführte Musical hatte damals Barrieren für die Repräsentation Homosexueller gebrochen. Der Song „I Am What I Am “ (Ich bin, wie ich bin), schallt mir nach. Allgemein hat der Abend eine wahnsinnig positive Message gehabt. Es war ein perfektes Beispiel für die Akzeptanz der Vielfalt in unserer Gesellschaft. Das jeder so strahlen sollte und darf, wie er ist. Es war schön zu sehen, wie viele Menschen noch Liebe leben.
Und jetzt, möchte ich euch den goldenen Mann vorstellen. Dafür müsst ihr ein wenig mit mir in die Vergangenheit reisen.
Auszug aus meinem Notizbuch vom 21.08.2024: Ich erschrak als ich ihn das erste Mal erblickte. Mitten in dem normalen Marktplatzalltag schien er mir golden entgegen. Seine Erscheinung ließ mich zuerst in sein starres Gesicht blicken. Er trug eine goldene Maske, welche Löcher für die Augen, die Nase und den Mund hatte. Eine goldene Rüstung und rote Stiefel. Nachdem ich den kurzen Schock überwunden hatte, sah ich ihn mir genauer an.
Wieso bin ich eigentlich so erschrocken?
Mehr ist irgendwie damals nicht auf das Papier gekommen. Knapp ein Jahr später ging mir diese Begegnung nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte mich damals mit ihm unterhalten. Ihn gefragt, was er da so macht. Er berichtete, dass er mit seinem Wohnwagen durch Deutschland fährt und Urlaub macht. Immer wieder hier und da hält, sich die Städte anschaut und dann auch gerne mal im Kostüm an öffentlichen Plätzen steht. Auf die Frage was er damit bezwecke, antwortete er mit einem leicht süffisanten Schmunzeln. Er wolle darauf aufmerksam machen, dass der Begriff normal dehnbar sei und wir alle als Individuen gut so sind, wie wir sind. Also der Inhalt ist bei mir hängengeblieben. Und, dass er schon auch ein wenig provozieren möchte, aber immer wieder die tollsten Gespräche mit Fremden hat. Gerade weil er sich anders zeigt. Was mir beim Beobachten aufgefallen ist, manche Menschen haben schockiert einen weiten Bogen um ihn gemacht. Als wäre er irgendwie abnormal. Ich kenne diesen Menschen nicht und weiß nicht, welche wirklichen Intentionen er hatte, aber es hat mich schockiert, dass ihm manche Menschen so negativ begegnet sind, nur weil er durch seinen Anblick irgendwie aus dem Normalen herausgefallen ist? Darüber habe ich das letzte Jahr viel nachgedacht. Diesen Sommer dann das total Absurde. Ich schlug das Zeitmagazin auf und da strahlte mir der goldene Mann entgegen. Zumindest sah er diesem unglaublich ähnlich. Ein Fotograf lichtete in ganz Deutschland verschiedenes ab. Unter dem am Brunnen posierenden goldenen Mann stand: Der Unbekannte in Dresden war viel interessanter als die Veranstaltung dahinter. Leider finde ich genau das Magazin nicht mehr, um das hier exakt und korrekt zitieren zu können. Mich hat das damals so zum Schmunzeln gebracht, weil diese Begegnung mir nicht aus dem Kopf gegangen ist und ich damit meinen Wink des Schicksals erhalten hatte: Mach was daraus. Naja, so sitzen wir jetzt alle hier und ihr, liebe Leser, lest euch geduldig durch meine heutige Kolumne. Ich verspreche, nicht ganz so arg auszuholen. Ich hatte die Kolumne für September geplant und fast fertig, als ich, warum auch immer, durch meine Facebook Nachrichten scrollte. Ich erschrak, weil mir der goldene Mann entgegenblickte. Irgendwie habe ich letztes Jahr nach unserem Aufeinandertreffen vollkommen übersehen, dass er mir eine Nachricht geschickt hatte. Ich schrieb ihm, pausierte die Kolumne, um mit ihm ins Gespräch zu kommen und das Zeitmagazin zu finden. Eine von den beiden Aufgaben, ist mir zumindest geglückt. Und jetzt sind wir hier. Ich versuche unseren Austausch im Netz wiederzugeben:
Ihm ist hängengeblieben, dass die Altdorfer sehr nett sind. Positiv auf jeden Fall und, dass man sich täuschen kann, dass so ein Provinzort doch nicht wie erwartet spießig und konservativ ist. Die Menschen sind ihm sehr offen begegnet. Sie haben es erfrischend gefunden, dass sich mal jemand traut, das Bild der Stadt etwas bunter zu machen und sie hatten sich gefreut, mal etwas anderes zu sehen und nicht immer das Gleiche. Er lässt Altdorf grüßen und richtet folgende Worte an uns:
„Mir ist es wichtig, dass man sich mehr traut und sich nicht so viele Gedanken macht, was andere über einen denken. Man kann nicht alle als Freund haben. Seid offen und freundlich, das sind doch die Menschen, die uns antreiben. Mir ist es wichtig, nicht nur der Stadt einen Gruß auszurichten, sondern auch dir. Du bist mir mit deiner frischen, freundlichen und sportlichen Art aufgefallen. Ich möchte gerne wieder nach Altdorf kommen.“
Das spricht doch für uns, oder nicht? Er hat noch betont, dass er sehr viel über Akzeptanz, sich, die Welt und andere lernt, indem er interessiert in Gespräche geht und Fragen stellt. Diese Offenheit würde er so nie erleben, wenn er nicht im Kostüm unterwegs wäre.
Interessant. Es ist seine Art, sich in ein strahlendes Kostüm zu werfen, um mit den Menschen eine Verbindung aufzubauen. Kann ich verstehen, manchmal muss man mit Saus und Braus auftauchen, um aufzufallen und gehört zu werden. Was ich auf alle Fälle aus dieser Gesamtbegegnung mitnehme, ist, dass wir Altdorfer eine super Stadt sind und jeder Einzelne sich mehr trauen sollte, zu sich zu stehen.
Ich kehre wieder ins Hier und Jetzt zurück:
Die Art wie manche Menschen den goldenen Mann so abwertend betrachtet und umgangen haben, ist mir, wie bereits erwähnt, sehr lange nachgegangen. Warum tun wir Menschen das? Jemanden der aus unserem Weltbild tanzt als unnormal abwerten? Ich überlegte, was ich denn so alles mache, wobei sich die Menschen vielleicht denken, was macht die denn da? Die ist ja komisch. Ich glaube davon gibt es viele Dinge. Angefangen davon, dass ich an ungewöhnlichen Orten sitze und schreibe. Über den Marktplatz radle in einem wilden Kostüm, weil ich zum nächsten Dreh fahre, oder einfach in meiner allerübelsten Wohlfühlhose und zerzausten Haaren rausgehe, um noch schnell was zu besorgen. Manchmal erwischt man mich auch dabei, wie ich irgendwo rumtanze, in der Auffassung, es würde mich keiner sehen – wurde mir berichtet. Ich glaube, dass ich mit der Vielzahl meiner Ichs bestimmt oft für Aufsehen sorge. Aber wisst ihr was: Es tut so gut, mich endlich genauso zu zeigen, wie ich bin. Bunt. Jedes meiner Ichs trägt ja dazu bei, dass ich strahle, dass ich lebendig bin und mich und alles um mir in vollen Zügen genieße. Ich für meinen Teil habe keine Lust mehr mich ständig mit anderen zu vergleichen. Sie ist dünner als ich. Der weiß viel mehr als ich. Sie kann viel besser tanzen als ich… Ich habe schlichtweg keine Lust mehr darauf. Ich lerne mich immer mehr so zu akzeptieren, wie ich bin und umso mehr ich das mache, desto mehr lebe ich wirklich und merke, wie ich immer mehr nicht nur strahle, sondern auch mein innerer Frieden und mein Freiheitsgefühl wächst. Das fühlt sich großartig an.
Versteht mich nicht falsch, dass hier ist kein romantisches träumerisches Denken. Dies ist eine ganz bewusste Haltung und Entscheidung. Ich möchte nicht nur so sein, wie ich bin, ich möchte auch mein Gegenüber so lassen, wie es ist und ihm erst einmal positive Motive zumuten.
In den vergangenen Jahren ist mir ein Satz in verschiedenen Unterhaltungen aufgefallen. Ein Einzelner kann ja Nichts bewirken. Hier möchte ich vehement dagegensprechen. Jeder Einzelne kann etwas bewegen. Und sei es nur, man selbst zu sein und zu sich zu stehen und damit sein eigenes Wohlbefinden zu stärken. Vielleicht springt ja ein kleiner Funke zu einem anderen über, den man zum Strahlen motiviert. Ich bin mir dessen bewusst, dass die Welt neben dem Strahlen auch ihr Dunkles mit sich bringt. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es immer bei einem Selbst anfängt. Und wenn mich mal etwas irritiert, dann frage ich nach. Und stellt euch mal vor, wie hell es sein kann, wenn wir gemeinsam strahlen!
Der goldene Mann, der sich übrigens, der goldene Ritter nennt, hat mich angeregt, meine Masken, die ich mir zum Schutz aufgesetzt habe, noch mehr fallen zu lassen und mein wahres Ich zu zeigen.
Ich liebe es, wie bunt Altdorf ist. Wir, die Bürger sind alle Individuen und genau das, macht das bunte Stadtbild aus, welches unser Altdorf so schön zum Strahlen bringt.
Wann strahlst du? ☺
Post Scriptum:
Hört doch mal in den Song „Wann strahlst du“ von Erobique, Jacques Palminger & Yvon rein. Der passt sehr gut hierzu. Viel Spaß beim Hören und Strahlen.
Eva Mikeska lebt in der Stadt, die sie liebt: in Altdorf b. Nürnberg. Außerdem liebt sie das Schreiben und das Lesen und veröffentlicht hier großartigerweise ihre Kolumne Marktplatzgeflüster.
Ihr erreicht sie bei Ideen, Anregungen und Fragen unter hallo@evamikeska.de und bei Instagram.


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