Evas bunte Welt…
Das ich Altdorf liebe, ist euch vielleicht schon aufgefallen. Dennoch traue ich mich ab und an über die Stadtgrenzen hinaus, um die große weite Welt zu erkunden. So auch diesen Sommer, als das alljährliche Classic Open Air in den wunderschönen Luitpoldhain nach Nürnberg einlud.
Für diejenigen, die das nicht kennen und sich vielleicht auch noch nicht getraut haben, das schöne Altdorf zu verlassen, möchte ich es kurz skizzieren:
Das Klassik Open Air Nürnberg ist eine kostenlose, jährliche Veranstaltung im Nürnberger Luitpoldhain, bei der die Staatsphilharmonie Nürnberg und die Nürnberger Symphoniker kostenlose Konzerte für Zehntausende von Besuchern geben. Die Besucher reisen mit Picknicks und Decken an und machen es sich bei klassischer Musik, immer unter einem Thema ausgelegt, gemütlich. Das diesjährige Motto: Nürnberg in die Welt hinaus. Eine schöne Gelegenheit, mit Familie oder Freunden zusammenzukommen. Wir gehen meistens gegen 18 Uhr hin. Jeder bringt etwas mit, immer im Gepäck: Decke, Essen, Wein und jedes Jahr aufs Neue wieder ein Gadget, was uns den Abend noch mehr versüßt. Dieses Jahr hat eine Freundin wirklich eine Thermoskanne gefüllt mit Eiswürfeln für den Aperol mitgebracht. Einfach genial.
Naja, ich schweife ab.
Nach und nach füllt sich der ganze Hain mit Menschen. Dieses Jahr waren es rund 80.000! Um das Ganze abzukürzen: Am Schluss stehen alle zum letzten Stück auf, zünden die vorab ausgeteilten Wunderkerzen an und stehen in einer Einheit, die für diesen Abend, für diesen Moment in freundlichen Einklang sein möchte, beisammen. Das ist jedes Mal aufs Neue nicht nur fürs Auge ein Lichterspektakel, sondern auch ein überwältigendes Gefühl. Der Blick in dieses Lichtermeer, einfach atemberaubend schön!
So wohl fühle ich mich eigentlich eher im kleinen Kreis unter Freunden und Vertrauten. Auf jeden Fall ist es eher untypisch, mich in einer solchen Massenansammlung so befreit fühlen zu können.
Ich weiß noch, wie ich dort auf meiner Picknickdecke lag, die bunte Truppe, die mit mir da war, bestehend aus Freunden und Freundesfreunden, betrachtete, die um uns sitzenden Leute, die in entspannter Stimmung beisammensaßen, die endlose Menschenschlange, die gefühlt den ganzen Abend weiter auf das Gelände strömte. Ich war einfach erstaunt, wie viele Menschen dort waren und was für eine friedliche Stimmung herrschte.
Ich wagte es irgendwann auf die Toilette zu gehen und schlenderte so zum Ziel, wie mir der ein oder andere begegnete und mich anlächelte. Komisch, dass mich das, also so etwas Einfaches, so erstaunte. Ich verspürte dort auf diesem riesigen Gelände eine extreme Freundlichkeit und Friedlichkeit.
Da gefühlt bei jedem Zeitungsaufschlagen einem die Negativschlagzeilen, gleich wieder zum Schließen animieren, möchte ich umso bewusster über etwas schreiben, was uns vielleicht alle verbindet, nicht über die Tatsachen, die uns entzweien. Kate Tempest schreibt in ihrem Buch Verbundensein nicht nur über Kreativität, sondern auch über ein kollektives Verbundensein, welches gerade durch die kreativen Künste, wie die Musik, gefördert wird. Genau das habe ich bei dem Classic Open Air verspürt. Eine Ansammlung Fremder, die sich zu einer Einheit verbindet. Solche Einheiten entstehen im Alltag, wie bereits herausgestellt, meistens eher im Freundeskreis.
Noch vor zwei Wochen hatte ich ein klares Bild von dem, was ich hier für diesen Monat schreiben möchte. Vor ein paar Tagen, als ich es dann aufs Papier bringen wollte, saß ich da und saß da und irgendwie kam nichts, oder naja, nicht nichts, nur die Überschrift, die mir ja schon beim Open Air eingefallen ist, stand auf dem weißen Blatt. Über die wundert sich wahrscheinlich der ein oder andere. Ja, ich liebe Neologismen und auch immer ein wenig Wortspiel, aber noch viel wichtiger: Irgendetwas in mir sagte mir seit Wochen, dass die vierte Kolumne so heißen soll, also Freundschaft und Freundlichkeit in diesem Text verbinden soll. Ich hatte die Tage irgendwie ein klitzekleines Zeitthema. Wie angekündigt wollte ich die Kolumne heute noch rausbringen. Also mache ich mich mal auf die Spur dieser so vertrauten Wörter. Freundschaft und Freundlichkeit. Irgendwas muss ich mir ja da vor ein paar Wochen dabei gedacht haben. Was vereint sie?
Am Classic Open Air habe ich zwei Fragen in meinem Notizbuch die Runde machen lassen und meine Freunde haben auf die Fragen „Freundschaft in einem Wort für dich?“ und „Freundlichkeit bedeutet für mich…“ folgendes geantwortet:
„Ehrlichkeit; Gemeinsam; Verbindung; Verbundensein; Familie; Unendlichkeit; Herzensmensch; Loyalität; Ich-Sein; So wie man ist und mit Liebe getragen werden; Wohlfühl-Oase…“
Und auf die zweite Frage: „zu geben, ohne etwas dafür zu erwarten; bedingungslos entgegenzubringen; nicht direkt zu bewerten; deinem Gegenüber fair zu begegnen; Positiv an die Sache heranzugehen; sich bedanken und auch mal anderen Menschen ein Lächeln zu schenken…“
Was mir beim Schreiben auffällt, ist, dass die Antworten manchmal auf beide Fragen passen. Irgendwie scheinen sie zusammenzuhängen. Das mit dem Lächeln hat mir besonders gut gefallen. Manchmal erlaube ich mir einen kleinen Spaß und lächle die Menschen, welche mir auf den Straßen begegnen, ganz bewusst an. Oft erschrecken sie schon fast. Ist es denn so ungewöhnlich, dass ich nicht nur Freunden und Vertrauten freundlich begegne?
Ich habe beruflich tagtäglich mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Manchmal kann das schon anstrengend sein, besonders wenn jemand den Laden betritt, der einem nicht ganz so freundlich entgegentritt. Ich habe mich vor langer Zeit bewusst entschieden, gerade dann, wenn ein muffliger Mensch den Laden betritt, extra freundlich zu sein und zu bleiben, mir die Zeit zu nehmen, mein Gegenüber genau anzusehen und hinzuhören. Die Art von Aufmerksamkeit, die man ja eigentlich eher seinem engeren Kreise schenkt. Fast jedes Mal musste ich mich danach selbst an die Nase fassen, weil es meistens eine gute Erklärung gab, wieso der ein oder andere ein langes Gesicht gezogen hat. Im Laufe des Gesprächs haben viele mir berichtet, welches Leid sie heute mit sich tragen und oft dachte ich mir: „Ja, da würde ich auch so ein langes Gesicht ziehen“ und war froh, nicht vorschnell geurteilt zu haben. Aber das Erstaunliche dabei war, dass mit der Offenheit und Freundlichkeit zum Schluss die Person meistens etwas erleichterter und mit einem Lächeln den Laden verließ. Wir hatten es anscheinend immer geschafft, für eine kurze Zeit verbunden zu sein. Also beschloss ich, stets bemüht zu sein, mit mehr Freundlichkeit durchs Leben zu laufen. Denn mir geht es ja nicht anders. Auch ich möchte, dass man mir so begegnet. Alla Kant, handle so, wie du möchtest, dass man dir begegnet.
Ich habe vor ein paar Jahren über mich gehört: „Ich bin die mit den schönen Kleidern“. Da musste ich schon schmunzeln, weil es ja stimmt, dass ich schöne Kleider liebe. Aber eines hat mich lange nicht losgelassen. Ich sei auch „die Eingebildete mit den langen Haaren, die immer über den Marktplatz läuft“. Ich habe mich lange gefragt, wie es zu so einer Aussage kommen kann. Denn wer mich kennt, weiß, dass ich viele Eigenschaften besitze, dass Eingebildetsein aber eher nicht dazugehört. Auch mich trifft es hin und wieder, dass das Leben so richtig zuschlägt und ich in mich gekehrt rumlaufe, mit meinen Problemen beschäftigt vielleicht nicht das freundlichste Gesicht an den Tag lege. Und wünsche ich mir dann nicht auch Menschen, die mir trotzdem im Alltag ein wenig freundliche Wärme schenken, so dass mir das Lächeln wieder leichter fällt?
Ich bin fest davon überzeugt: Freundlichkeit siegt. Sie verbindet uns. Es muss daraus ja nicht immer eine Freundschaft, eine tiefere Ebene entstehen, aber es macht das Leben doch um einiges leichter und lebenswerter. So, das musste mal gesagt werden. Aber worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus?
Ach ja, da muss ich doch noch kurz ausholen.
In der Zeit stand mal etwas über den steigenden Schwierigkeitsgrad, im Älterwerden noch tiefe Freundschaften eingehen zu können. Das stimmt schon irgendwie. Irgendwann hat man ein Alter erreicht, in dem man meistens einen kleinen, engeren Kreis um sich hat. Über diese tiefen Freundschaften, welche mich schon durch so vieles getragen haben und welche meinen Alltag so sehr bereichern, bin ich tagtäglich dankbar. Wenn ich so zurückdenke, habe ich in den letzten fünf Jahren noch einmal das Glück gehabt, enge Freundschaften, sogenannte Herzensmenschen, finden zu dürfen. Und wie alles begann, mit einer offenen und freundlichen Einstellung neuen Menschen gegenüber. Das heißt nicht, dass ich mit jedem enger werden muss. Das wäre ja auch absurd. Eines der wichtigsten Dinge, die ich lernen durfte und das mich so sehr entspannt hat, war, dass ich nicht bei jedem ankommen, ich nicht mit jedem über die gewisse Basis kommen muss. Und genau das ist es vielleicht, was Freundschaft mit Freundlichkeit zusammenbringt. Freundlichkeit ist die Basis, das Fundament jeder Freundschaft. Sie verbindet und kann den Grundstock setzen, der, wenn beide wollen und es passt, weiter zu einer bunten Pflanze reifen darf.
Je länger man sich kennt, umso vertrauter wird die Beziehung auch. Dennoch bedarf es bei alten wie bei neuen Freundschaften immer einer gewissen Balance. Das Geben und Nehmen muss sich immer wieder ausgleichen. Manchmal heißt Freundschaft auch, seine Bedürfnisse hintenanzustellen.
Mir ist es diese Woche so ergangen. Ich hatte zu einem Umzug zugesagt. Freudig darüber, weil es für mich gesundheitsbedingt vor ein paar Jahren nicht möglich gewesen wäre, das zu tun, und ich mich wirklich freute, meine körperliche Hilfe anbieten zu können, war Tag X da. Wenn ich ehrlich bin, hat es mir dann an dem Tag überhaupt nicht in den Kram gepasst. Aber ich wollte zu meinem Wort stehen, verlässlich sein. Also wagte ich es mal wieder über die Stadtgrenze und schleifte mich nach Nürnberg. Zwei Dinge möchte ich bei dem Ereignis herausstellen. Meine Freundin, die mir unheimlich dankbar war, dass ich ihr an dem besonderen Tag zur Seite stand, und die Freundesfreunde, mit denen ich den Umzug wuppen durfte. Nach kurzer Zeit waren wir eine eingespielte Arbeitstruppe, die mit Freundlichkeit und viel Spaß alles von A nach B transportierte. So fuhr ich heim und war wirklich dankbar darüber, mich aufgerafft und meiner Freundin geholfen zu haben. Denn so wie mir immer wieder Hilfe gegeben wird, konnte ich auch mal einen kleinen Teil zurückgeben. So sollte es ja funktionieren.
Ich glaube, was ich mit alldem sagen will, ist: Freundlichkeit lohnt sich. Sie bringt Leichtigkeit im Alltag, ein tieferes Verständnis meines Gegenübers und vielleicht auch die Chance auf eine tiefe Freundschaft. Der Schritt von Einheit zum Zwiespalt ist manchmal kein großer, doch sollten wir uns immer an Victor Borges Worte erinnern: „Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist das Lächeln.“ 😀
Post Scriptum:
Das Bild wurde im Juli 2024 aufgenommen. Es zeigt meine langjährigen Freundinnen und mich auf einem Fest in Altdorf. Diese Woche war besonders für mich, da ich mich endlich wieder offiziell in meiner geliebten Heimat Altdorf gemeldet hatte und das Heimkehren mit meinen Freunden dort feiern konnte. Ich bin dankbar, dass ich diese Freundschaften über die Jahre, die ich weg war, gepflegt habe und die Verbindung nie habe abbrechen lassen. So hat es sich für mich wirklich angefühlt, wieder nach Hause zu kommen, zu den mir vertrauten Menschen, die mich genau so mögen, wie ich bin.
Eva Mikeska lebt in der Stadt, die sie liebt: in Altdorf b. Nürnberg. Außerdem liebt sie das Schreiben und das Lesen und veröffentlicht hier großartigerweise ihre Kolumne Marktplatzgeflüster.
Ihr erreicht sie bei Ideen, Anregungen und Fragen unter hallo@evamikeska.de und bei Instagram.


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