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Rede von Kerstin Gardill bei der Nominierung zur SPD-Landtagskandidatin 2018 für Nürnberg-Ost

Kerstin Gardill aus Altdorf (auf dem Foto in der Mitte) wurde am 28.11.2017 von der SPD Nürnberg zur Kandidatin für die Landtagswahl 2018 für den Stimmkreis Nürnberg-Ost gewählt. Mit 100% der Stimmen! Ihr direkter Gegenkandidat ist Markus Söder, der demnächst als Ministerpräsident in München residieren wird. Spannend! Um sich ein Bild von Kerstin machen zu können, ist hier die schriftliche Fassung ihrer Vorstellungsrede von der Nominierungsversammlung:

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

(1) vielen Dank, lieber Nasser für Deine Worte, und liebe Angelika, ich danke vor allem Dir für dein Grußwort und Deine großartige Unterstützung! Bitte erlaubt mir an dieser Stelle vorab ein paar Worte an Angelika zu richten:

 

(2) Angelika, du hinterlässt große Fußstapfen.

Du hast in einer Zeit angefangen, dich politisch zu engagieren, in der es alles andere als üblich war, dass das Frauen tun. Es waren vermeintliche Kleinigkeiten, die das für dich spürbar gemacht haben: Zum Beispiel, dass du hier in diesem Haus, im berühmten Karl-Bröger-Keller (die Älteren von euch erinnern sich vielleicht: dort fanden die Sitzungen des Parteiausschusses und des Vorstandes statt. Man muss es sich ein bisschen wie eine Kantine vorstellen, es gab also Essen und Getränke), spät oder gar nicht bedient worden bist. Das war bestimmt nicht ganz leicht zu ertragen. Aber, liebe Angelika: Du hast dich nicht beirren lassen. Du hast dich auch nicht beirren lassen, als du an der Seite mit dem leider schon verstorbenen Peter Schönlein und meinem politischen Ziehvater Horst Schmidbauer im Jahr 1996 eine bittere Niederlage erleben musstest. Nein: Du hast immer weiter gemacht und für die sozialdemokratischen Werte gearbeitet, auch dann, wenn es wehgetan hat. Du bist wieder stellvertretende Vorsitzende geworden, und du hast es geschafft ein Landtagsmandat zu erringen. Davor, liebe Angelika habe ich größten Respekt. Du hast dich in deiner politischen Arbeit vor allem für diejenigen Menschen eingesetzt, die überhaupt keine Lobby haben. Und:  Du hast diese Themen immer wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht: Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit zum Beispiel, oder auch das Thema der Drogenkonsumräume hier in Nürnberg. Ich denke ich darf hier für alle Anwesenden sprechen, wenn ich dafür danke sage, liebe Angelika.

Die Partei hat dir viel zu verdanken!

 

(3) Wir Sozialdemokraten haben jetzt, im Jahr 2017 ebenfalls eine bittere Niederlage erleiden müssen, und ich weiß nicht wie ich es euch geht – aber ich persönlich kann mich nicht erinnern, als Sozialdemokratin, aber auch nicht als Bürgerin dieses Landes, schon einmal solch ein Wechselbad der Gefühle in einer derart kurzen Zeit erlebt zu haben. Ich brauche es euch nicht zu erzählen, es ist uns allen noch sehr präsent: Zuerst der Hype, dann die verlorenen Landtagswahlen, dann Hoffnung, gefolgt von unserem historisch schlechtestem Wahlergebnis. Und jetzt? Jetzt stehen wir seit dem Scheitern von Jamaika, vor der Frage: Wie geht es weiter? Ganz klar ist für mich: Auch wir dürfen uns nicht beirren lassen. Natürlich schmerzt die Niederlage die wir vor zehn Wochen erlitten haben, aber Niederlagen gehören zum Leben und zur Politik dazu, ob es uns gefällt oder nicht. Wir können aus unserer Niederlage etwas lernen – über uns.

 

(4) Einige von euch wissen ja vielleicht, dass ich Geschichte studiert habe. Meine Abschlussarbeit habe ich damals über Willy Brandt geschrieben und auch er hat viele Niederlagen erlebt: Erst beim dritten Anlauf ist er Parteivorsitzender geworden, erst beim dritten Anlauf Kanzler. Auch er hat trotzdem immer weitergemacht, selbst nach seinem Rücktritt als Kanzler – er ist immer bei seiner Partei geblieben. Es gibt zwei Sätze von Willy Brandt, die mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind, und die, wie ich finde, gut zu unserer jetzigen  Lage passen und die auchh das Spannungsverhältnis deutlich machen, in dem wir uns gerade befinden. Der eine Satz lautet:  „Die Partei ist nicht um ihrer selbst willen da. Sie ist der Menschen wegen da.“ Der andere:  „Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokratie zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.“

 

(5) Bezogen auf die heutige Situation heißt das für mich: Neuwahlen sind die schlechteste aller momentanen Möglichkeiten. Die Politik darf den Ball nicht einfach zurückspielen, der ihr zugespielt wurde. Die Menschen erwarten von der Politik, Lösungen zu finden und Orientierung zu geben, und das tun sie zurecht! Deshalb müssen wir auch gesprächsbereit sein. Verweigerungshaltungen in dieser Situation halte ich für falsch. Auch wenn mir seit gestern Nachmittag ehrlich gesagt, noch mehr denn je die Fantasie dafür fehlt, wie wir angesichts des Verhaltens vom Bundeslandwirtschaftsminister mit der CSU zusammenarbeiten sollen. Ich finde wir dürfen auch über eine Minderheitenregierung nachdenken, die wir tolerieren. Sie stärkt das Parlament und die Demokratie. Ganz nach Willy Brandt: „Lasst uns mehr Demokratie wagen.“ Die Tatsache aber, dass jetzt alle nach uns rufen, zeigt deutlich: Wir machen eine gute Politik, mit uns kann man vertrauensvoll zusammenarbeiten und: Wir haben auch als Juniorpartner in den letzten vier Jahren sehr viel erreichen können. Ich würde mir wünschen, dass wir Sozialdemokraten wieder selbstbewusster und mutiger werden. Lasst uns die Chance ergreifen! Lasst uns den Menschen ganz klar zeigen, für welche Themen und Inhalte wir stehen. Lasst uns einen Sozialen Pakt schließen: Zu diesem Sozialen Pakt gehören für mich: Keine Senkung des Rentenniveaus, der Ausbau von gefördertem Wohnraum, die Einführung der Bürgerversicherung, deutliche Investitionen in Bildung:  Und, auch ganz wichtig: Mehr Steuergerechtigkeit. Große Vermögen müssen mehr besteuert werden und multinationale Großkonzerne und Superreiche müssen endlich angemessene Steuern zahlen. Durch deren Verhalten entgehen der EU bis zu eine Billion Euro – das muss man sich mal vorstellen. Stellt euch vor, wie viele Schulen man mit diesem Geld sanieren könnte, wieviel mehr geförderten Wohnraum wir schaffen könnten und wieviel kostenlose Betreuungsplätze für Kinder wir anbieten könnten.

 

(6) Liebe Genossinnen und Genossen, sollte ich heute nominiert werden und sollte ich den Einzug in den Bayerischen Landtag schaffen, wären das die Themen, die ich meine Herzensthemen nenne: Bildung, bezahlbarer Wohnraum und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(a) Ich habe selbst zwei Kinder im Grundschulalter und seit kurzem bin ich stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende. In diesem Schuljahr habe ich es hautnah mitbekommen, dass gerade so, auf den letzten Drücker genug Lehrer eingestellt werden konnten. Auf Kante genäht sozusagen. Kein Wunder also, dass es viel zu häufig zu Stundenausfällen kommt! Deswegen für mich der deutliche Appell: Stellt mehr Lehrer ein und zwar unbefristet. Und es muss auch aufhören, dass sich jungen Lehrer die nicht verbeamtet sind, während der Sommerferien arbeitslos melden müssen. Im Übrigen verstehe ich auch nicht, dass Lehrer in Mittelschulen und Grundschulen weniger verdienen als Gymnasiallehrer. Ist ihre Arbeit denn weniger Wert? Ganz sicher nicht! Deswegen fordere ich: Gleiche Bezahlung! (Auch über den Sinn des sogenannten Grundschulabiturs muss dringend nachgedacht werden.)

(b) Das Thema Wohnen, liebe Genossinnen und Genossen! Die Steigerung der Miet- und Kaufpreise trifft mittlerweile nicht mehr „nur“ Menschen mit weniger finanziellen Mitteln. Nein – auch für mittlere und höhere Einkommen wird es zunehmend schwierig. Selbst diese Einkommensgruppen können sich fast nichts mehr leisten, ohne sich ewig zu verschulden. Oder: Sie bekommen Kapital von ihren Eltern bzw. sie erben. Das führt zu einem noch größeren Auseinanderdriften von Arm und Reich, weil die Menschen mit kleinem Geldbeutel überhaupt keine Chance mehr haben. Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, dass es hier in Bayern deutlich weniger geförderten Wohnraum als zum Beispiel in Hamburg. In München hausen Studenten mittlerweile in Notunterkünften des Studentenwerks und haben für fünf Euro die Nacht ganze vier Quadratmeter Privatsphäre. Und was macht die Bayerische Staatsregierung in der Vergangenheit? Verkauft landeseigene Wohnungen an Investoren, von denen man nicht einmal genau weiß, wer dahinter steckt. Das soll mir mal jemand erklären, liebe Genossinnen und Genossen. Das verstehe ich nicht.

(c) Lasst mich noch zwei Sätze zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagen: Mein Motto lautet immer: Arbeiten ist das normalste der Welt und Kinder bekommen auch. Warum also stellt es bis heute im Jahr 2017 noch immer viele Familien vor eine Zerreißprobe, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen? Warum ist es vor allem immer noch für Frauen so enorm schwierig, weiter ihrem Beruf nachzugehen. Gerade für diejenigen, die einen kleineren Geldbeutel haben lohnt es sich oft gar nicht, stundenweise arbeiten zu gehen, weil das ganze Geld für die Betreuung drauf geht. Geht man aber nicht arbeiten, wird man für den Arbeitsmarkt immer unattraktiver, liebe Genossinnen und Genossen. Das ist einfach so. Von der Tatsache, dass es für viele Familien einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist, dass beide arbeiten, will ich hier gar nicht reden. Wie schwer es vor allem für Alleinerziehende ist, weiß ich hautnah aus eigener Erfahrung. Deswegen heißt es für mich: Wir brauchen kostenlose Kinderbetreuung bis mindestens ins Grundschulalter, statt des Betreuungsgeldes, liebe Genossinnen und Genossen. Denn: ich möchte auf keinen Fall, dass ein selbstbestimmtes Leben nur für reiche Familien möglich ist!

 

(7) All das, was ich euch gerade erzählt habe, liebe Genossinnen und Genossen führt dazu, dass Ungleichheit zementiert wird! Und es führt uns zu der wie ich finde grundlegenden Aufgabe, die die Politik in den nächsten Jahren haben wird, egal ob im Bund, im Land, in der Kommune: Wir müssen eine Antwort geben auf die immer größer werdende ungerechte Verteilung und auf die zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, unsere Wirtschaft boomt, aber nur wenige profitieren davon. Es kann doch nicht sein, dass heute, im Jahr 2017, Kinder bei Schuleintritt weniger Chancengleichheit haben als noch vor 20 Jahren. Es kann auch nicht sein, dass das Armutsrisiko von Kinder steigt. Es kann auch nicht sein, dass Kapital immer noch deutlich weniger besteuert wird als Arbeit. Diese Ungleichheit wird am Ende für alle Bevölkerungsschichten zum Problem, sie führt zu Unzufriedenheit und stärkt die Populisten und gefährdet die Demokratie. Das kann keiner wollen!

 

(8) Liebe Genossinnen und Genossen, das Jahr 2017 sind noch nicht zu Ende. Wir wissen nicht wie die politische Lage am Ende des Jahres aussieht. Und auch das Jahr 2018 wird aufgrund der bevorstehenden Landtagswahlen nicht weniger wichtig und spannend für uns. Es gibt aber eins, das ich ganz genau weiß:  Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind genau die richtige Partei um gerade erwähnte Probleme und Ungerechtigkeiten anzupacken und zu lösen. Wir sind die älteste Partei in diesem Land und wir haben uns nur aus einem Grund gegründet: Wir wollen, dass es den Menschen besser geht.

Und wir waren es doch auch, die in Zeiten des Umbruchs immer besonders stark gewesen sind. Deshalb: lasst uns mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen, mehr Mut haben und den Menschen zeigen was wir können! Und uns selbst darauf besinnen, woher wir kommen.

 

(9) Wir waren es doch die vor fast hundert Jahren das Heft des Handelns in die Hand genommen haben und damit den Weg zur Demokratie freigemacht haben: Es waren Sozialdemokraten, die am 9. November im Berliner Reichstag die Republik ausgerufen haben, es waren Sozialdemokraten, die das hier in Bayern gemacht haben. Auch hier in Nürnberg waren es unsere Genossen Max Süßheim und Martin Treu, die einen großen Anteil daran hatten, dass die Revolution vergleichsweise friedlich abgelaufen ist. Es war unser Genosse Martin Treu, der nur wenige Meter von hier, dort wo heute das Schauspielhaus steht, im Hercules-Velodrom, Massenspeisungen organisierte um die hungernde Bevölkerung zu versorgen. Es waren wir, die wir schon viele Jahre vorher dafür gesorgt haben, dass nicht nur Reiche wählen dürfen. Ohne uns gäbe es auch kein Frauenwahlrecht! Hier in Nürnberg waren es auch die Sozialdemokraten, die das erste Arbeitersekretariat in Deutschland überhaupt eröffnet haben. Schon 1905 haben wir hier mit Helene Grünberg eine Frau eingestellt, die vor allem Arbeitnehmerinnen beraten hat. Das war einzigartig im ganzen Land und ein Vorbild für viele andere.

 

(10) In den letzten Tagen habe ich oft gehört, Politiker müssen Visionen haben. Ja – das stimmt! Meine Vision ist die einer solidarischen Gesellschaft. In einer derart individualisierten und heterogenen Gesellschaft, wie in der heutigen ist es eine berechtige Vision, denke ich. Denn: Ich möchte nicht in einem Deutschland und auch nicht in einem Bayern leben, in dem die Entwicklungen von Kindern wieder mehr und mehr vom Bildungsgrad und Geldbeutel der Eltern abhängen. Ich möchte auch nicht in einem Land leben, in dem Wohnraum Luxus ist. Auch nicht in einem Land, in dem Krankenhäuser wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden, und der Mensch wie ein Produkt behandelt wird. Und auch nicht in einem Land in dem ich, wenn ich beim Facharzt anrufe zuerst danach gefragt werde, wie ich versichert bin und nicht danach, wie es mir geht.

 

(11) Liebe Genossinnen und Genossen, ich bewerbe mich heute um die Landtagskandidatur für den Nürnberger Stimmkreis-Ost und bitte euch um eure Stimme und um eure Unterstützung. Ich fühle mich diesen Stimmkreis sehr verbunden. Nicht nur weil mein Eltern hier lange Zeit gewohnt haben (in den Eisenbahnerwohnungen in der Eisensteinerstraße in Zabo), sondern weil ich ihn fast jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit durchquere (entweder mit dem Auto oder mit der S-Bahn – zumindest Teile davon). Ich mag besonders seine Vielfalt. Der Stimmkreis besteht aus großstädtischen Bereichen, aus gut bürgerlichen Bereichen und aus dem sogenannten Speckgürtel. Er bildet eine Brücke zwischen Großstadt und Umland. Und genau das ist unglaublich wichtig, liebe Genossinnen und Genossen. Denn ich bin mir sicher: Die SPD kann nicht nur Großstadt, sie kann auch Land. Ich weiß das so genau, weil ich seit vielen Jahren in beiden Bereichen arbeite. Beruflich hier im Nürnberger Wahlkreisbüro, ehrenamtlich als OV-Vorsitzende im Nürnberger Land. Ich kenne die großartige Arbeit der Ortsvereine hier wie da. Deshalb fühle ich mich hier zuhause und natürlich werde ich, sollte ich nominiert werden und den Einzug in den Landtag schaffen, hier in diesem einzigartigen Haus das Büro von Angelika weiterführen. Im Wahlkampf steht für mich die enge Zusammenarbeit mit den Ortsvereinen an erster Stelle. Ihr seid diejenigen die am nächsten dran sind an den Menschen, ihr wisst wo der Schuh drückt – an welcher Stelle Dinge schlecht laufen, an welcher Stelle sie gut laufen. Für den Wahlkampf gilt für mich das Motto: Weniger Großkopferten-Veranstaltungen – mehr raus auf die Straße.

Einige von euch wissen vielleicht, dass ich das 150igste Jubiläum der Nürnberger SPD inhaltlich erarbeiten durfte und deswegen diese Partei und ihre Protagonisten gut kennenlernen durfte. Gelernt habe ich auch, dass Nürnberg und das Nürnberger Land bis in die 70er Jahre hinein ein gemeinsamer Unterbezirk gewesen sind. Also, wir gehören auch historisch zusammen, liebe Genossinnen und Genossen. Die Arbeit an der Geschichte dieser Partei und auch an der Entstehungsgeschichte dieses Hauses hier, hat mir ganz deutlich gezeigt: Diese Partei ist wie dieses wunderbare Haus hier: stark und offen zugleich. Deswegen bin ich mir sicher, dass wir alle gemeinsam bei den nächsten Wahlen wieder einen Sprung nach vorne machen können. Ich danke euch für eure Unterstützung!

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